Das Containerdorf in der Sportanlage Herbertskaul ist beschlossene Sache. Um diese und weitere Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge in Frechen ging es gestern in einer Sondersitzung des Stadtrats. Hier die wichtigsten Fakten und Beschlüsse:
1. Wie jede andere Gemeinde in Deutschland ist die Stadt Frechen rechtlich dazu verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen und menschenwürdig unterzubringen, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist.
Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, werden nach dem „Königssteiner Schlüssel“ auf die Bundesländer verteilt. Dabei gehen zu 2/3 die Steuereinnahmen in die Berechnung ein und zu 1/3 die Bevölkerungszahl. Die Quote wird jährlich neu ermittelt. Bereits im Jahr 2015 entfiel auf NRW der größte Anteil. Auch in diesem Jahr wird NRW die meisten Asylsuchenden in Deutschland aufnehmen, die Quote beläuft sich auf rund 21 Prozent. In den Bundesländern werden die Flüchtlinge per Quotenregelung nach Einwohnerzahl und Fläche auf die Kommunen verteilt. In NRW ist die Bezirksregierung in Arnsberg für die Zuweisung der Flüchtlinge auf die knapp 400 Kommunen im Land zuständig.
2. Die Integration der Flüchtlinge ist Sache aller Bürgerinnen und Bürger – und nicht zuletzt der unmittelbaren Nachbarschaft.
Ein Netzwerk von Organisationen, Vereinen und Ehrenamtlichen kümmert sich in Frechen um die Flüchtlinge und ihre Integration. Was gebraucht wird und wo geholfen werden kann, darüber informiert zum Beispiel der Förderverein Flüchtlingsnetzwerk Frechen unter https://www.fluechtlingsnetzwerk-frechen.de/ „Die Arbeit mit den Flüchtlingen funktioniert“, informierte Georg Becker, der Leiter des Fachdienstes Jugend, Familie und Soziales die fast vollständig anwesenden Ratsmitglieder sowie rund 100 Bürgerinnen und Bürger, die sich im Zuhörerraum eingefunden hatten.
3. Zum Jahreswechsel waren 902 Flüchtlinge in Frechen untergebracht – verteilt auf aktuell 55 Standorte in ganz Frechen – einer Stadt mit rund 52 000 Einwohnern.
Zu den etwa 900 Flüchtlingen zählen auch die 220 Menschen, die in der Erstaufnahme-Einrichtung in der Sporthalle des Frechener Gymnasiums untergekommen sind. Sie bleiben dort nur, bis sie einen Asylantrag gestellt haben und werden dann von Arnsberg auf andere Kommunen verteilt bzw. neu verteilt. Die Zahl der Flüchtlinge entspricht der Aufnahmeverpflichtung der Stadt: im vergangenen Jahr hatte Frechen 0,277 Prozent der nordrhein-westfälischen Flüchtlinge zu versorgen, dieselbe Quote gilt auch für 2016.
450 Flüchtlinge leben derzeit in Wohnungen und Häusern, die der Stadt gehören oder die die Stadt angemietet hat. 80 Flüchtlinge müssen in der Willi-Giesen-Halle in Habbelrath zurechtkommen, 180 Flüchtlinge in der Gottfried-Berger-Halle in Königsdorf.
4. Rat und Verwaltung rechnen mit rund 600 weiteren Flüchtlingen, die in diesem Jahr nach Frechen kommen werden.
Um eine Planungsgrundlage zu haben, schloss sich der Rat gestern einer Prognose von 1 Millionen zusätzlicher Flüchtlinge bis Ende des Jahres 2016 in Deutschland an. Das sind entsprechend der festgelegten Quoten 211 000 für NRW und 590 für Frechen. 150 Flüchtlinge können bis Ende 2016 laut Ratsbeschluss in der Anne-Frank-Schule untergebracht werden, 450 in dem neuen Containerdorf auf dem Sportpark Herbertskaul. Somit wären für die erwarteten Flüchtlinge in 2016 gesorgt. Da jedoch niemand zuverlässige Prognosen über die tatsächliche Zahl weiterer Flüchtlinge treffen kann – schon gar nicht über 2016 hinaus, ist die Stadt weiterhin auf der Suche nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten. Ziel soll außerdem sein, Alternativen für die rund 500 Flüchtlinge zu finden, die derzeit die drei Hallen belegen.
5. In und rund um Flüchtlingsunterkünfte in Frechen gab es bislang keine außergewöhnliche Häufung von Konflikten.
Soweit die Erfahrung von Georg Becker, über die er die anwesenden Bügerinnen und Bürger in der einer Fragerunde im Rahmen der Ratssitzung informierte. Becker ist selbst ständig in den Flüchtlingsunterkünften im Einsatz und in Kontakt mit den Flüchtlingsbetreuenden. Er berichtete von lediglich einzelnen Konflikten, die unter den Flüchtlingen in den Hallen unter dem Einfluss der beengten Verhältnisse entstanden seien. Nach Auskunft von Bürgermeisterin Susanne Stupp deckt sich die Erfahrung Beckers mit der Einschätzung der Kreispolizeibehörde.
Nachtrag vom 22. März 2016: Auf Anfrage von Frechenschau.de teilt die Polizei im Rhein-Erft-Kreis mit: „Die Kreispolizeibehörde verzeichnet keinen Anstieg von Straftaten oder gewalttätigen und verbalen Auseinandersetzungen im Umkreis der mehr als zweihundert Flüchtlings- oder Asylbewerberunterkünfte im Rhein-Erft-Kreis. (…) Die meisten Konflikte in oder in der Umgebung der Unterkünfte, zu denen die Polizei gerufen wird, sind Auseinandersetzungen von Flüchtlingen untereinander. Grund sind häufig unterschiedliche Auffassungen über die Modalitäten innerhalb der Unterkünfte oder kulturelle Unterschiede.
Dass die Polizei in der Vergangenheit zu einem Konflikt zwischen Anwohnern und Flüchtlingen gerufen wurde, ist der Ausnahmefall und wird statistisch gar nicht ausgeworfen. Ein solcher Fall tritt jedoch nicht häufiger auf als Nachbarschaftsstreitigkeiten in anderen Wohngebieten. Anwohnerinnen und Anwohner in der Nachbarschaft von Flüchtlings- und Asylbewerberunterkünften leben demzufolge so sicher, wie alle anderen Menschen im Rhein-Erft-Kreis. Die Polizei arbeitet sehr eng und kooperativ mit allen Beteiligten zusammen. Bezirksbeamte halten regelmäßigen Kontakt zu den Menschen, die in den Unterkünften und deren Nachbarschaft leben und wohnen. Der Wachdienst der Polizeiwachen bestreift die Bereiche regelmäßig.“
6. Flüchtlingsunterkünfte werden bedarfsgerecht von Sicherheitsleuten bewacht.
Georg Becker beantwortete mit dieser Information die Frage einer Anwohnerin nach ihrer eigenen Sicherheit …
7. Das viel diskutierte Containerdorf in der Sportanlage Herbertskaul ist nun beschlossene Sache.
450 Flüchtlinge mit laufendem Asylverfahren werden dort voraussichtlich ab Mai einziehen. Erste Container wurden bereits angeliefert. Die Sportanlage gehört baurechtlich zum Wohngebiet und darf daher auch längerfristig für Flüchtlingsunterkünfte genutzt werden. Die Frage, wie lange das Cntainerdorf bleiben soll, konnte die Verwaltung nicht beantworten.
8. Drei weitere und neu zu errichtende Unterkünfte für Flüchtlinge wurden auf den Weg gebracht.
Am Rosmarweg sollen städtische Baracken einer Flüchtlingsunterkunft für 350 Menschen weichen. Neben der Willi-Giesen-Halle in Habbelrath soll eine Unterkunft für knapp 100 Flüchtlinge gebaut werden. Ferner beauftragte der Rat die Verwaltung, Sozialwohnungen auf dem Grundstück an der Ecke Alfred-Nobel-Straße und Toni-Ooms-Straße zu planen. Bei allen drei Projekten arbeitet die Stadt mit der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft (GWG) zusammen.
9. Leer stehende Gebäude – ob in Besitz der Stadt oder nicht – werden auf ihre Eignung zur Unterbringung von Flüchtlingen überprüft.
Die Stadt mietet auch Gebäude und Wohnungen an, die in Frage kommen. „Aber wir können nur mieten, was uns auch angeboten wird“, stellte Heinz Bühl, der Leiter des Fachdienstes Stadtentwicklung, Liegenschaften und Bauordnung fest. Das ehemalige Max-Bahr-Gebäude an der Ernst-Heinrich-Geist-Straße stehe zum Beispiel ebenso wenig als Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung wie das mehrfach vorgeschlagene St. Anna-Haus an der Franzstraße. Anders, als es aussehe, sei das Max-Bahr-Gebäude vermietet, und das Anna-Haus schon aus Brandschutz-Gründen nicht geeignet, erklärte Heinz Bühl
10. Neue Flüchtlingsunterkünfte dürfen nur in Wohngebieten im ganz normalen Baugenehmigungsverfahren errichtet werden.
Dabei muss zum Beispiel auch der Brandschutz berücksichtigt werden. Auf der grünen Wiese, also in den so genannten „Außenbereichen“, darf die Stadt nicht bauen. Für Zelte oder andere mobile Unterkünfte gelten Ausnahmeregelungen. So sind solche Übergangslösungen dort für maximal drei Jahre erlaubt.
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Nachtrag: Als Fakt 11 wäre noch zu berichten, dass die Stadtverwaltung die Bürgerinnen und Bürger zukünftig früher in die Planungen zur Unterbringung von Flüchtlingen einbeziehen soll.
Auf Antrag der SPD und auf Beschluss des Rates soll es eine zentrale Bürgerinformationsveranstaltung im Stadtsaal geben – wann, das ist allerdings noch nicht bekannt. Darüber hinaus sollen Anwohner in örtlichen Infoveranstaltungen dort einbezogen werden, wo die Möglichkeit besteht Unterkünfte einzurichten.
Und aus gegebenem Anlass noch ein Hinweis zu Fakt 5: Es ist richtig, dass Georg Becker den Hinweis auf Sicherheitsleute vor Ort im Zuammenhang mit der Frage einer Bürgerin nach ihrer eigenen Sicherheit gab. In meinem Beitrag entstand bei einigen Leserinnen und Lesern nun offenbar der Eindruck, die Sicherheitsdienste seien zur Bewachung der Flüchtlinge zum Schutz der Anwohner da. Das ist falsch! Der Auftrag der Sicherheitsdienste ist, die Flüchtlinge zu beschützen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die vielen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verweisen, die nahezu täglich in der ganzen Republik verübt werden!